Dienstag, 5. Oktober 2010

Zurueck in der Zivilisation

Mein Farmaufenthalt sollte meine schoenste Zeit in Neuseeland werden, er wurde es nicht.
Die drei Wochen jetzt hinterher zusammenzufassen ist schwer und doch wieder leicht, weil nicht so viel passiert ist.
Schon als ich an der Busstation in Kawerau gewartet habe und eine halbe Stunde lang nicht abgeholt wurde, hatte ich ein komisches Gefuehl. Aber auf einer Farm kann eben immer mal etwas dazwischen kommen und deshalb dachte ich mir nichts weiter dabei.
Mir wurde angekuendigt, dass die Farm von einer Mutter mit ihrer Tochter betrieben wird, sie aber noch Angestellte haben, die mit ihnen arbeiten. Das stimmte leider nicht, sodass ich drei Wochen alleine und abgeschottet mit Sheila (Mutter, ca. 60 Jahre alt) und Tania (Tochter, 42 Jahre alt) verbrachte. Da Sheila gut die Haelfte der Zeit in einer anderen Stadt arbeiten war und nur am Wochenende nach Hause kam, war ich auch ncoh oft ganz alleine mit Tania.
Sheila gab mir anfangs das Gefuehl ueberhaupt nicht willkommen zu sein. Vielleicht wirkte ich auf sie wie ein Pueppchen, dass sich zu schade zum arbeiten ist. Als sie germerkt hat, was fuer gute Arbeit ich leiste, war sie naemlich ploetzlich richtig nett, ihr Verhalten mir gegenueber und ihr Benehmen insgesamt wurde besser. Geschafft habe ich das ziemlich einfach: Ich habe mich von ihrem Hengst beissen lassen, zwei Glaesser Wasser getrunken, mich 15 Minuten hingesetzt und dann weietrgearbeitet. Ich habe 30 kg Futtersaecke ueber den ganzen Hof geschleppt (in der letzten Woche durfte ich sogar eine Schubkarre benutzen :-)). Ich habe, nachdem mir keine Anweisungen gegeben wurden, was ich tun soll, gut aufgepasst was gemacht werden muss und selbststaendig gearbeitet. Ich habe Fruehstueck gemacht und die Kueche geputzt und aufgeraeumt (war noetig). Ich habe nach dem Minitornado, der die gesamte Farm in ein Chaos aus Baeumen und Aesten gestuerzt hat, mit ihr, ihrem Schwager und Tania einen gesamten Tag lang Aeste und Baeume geschleppt und alles wieder aufgeraeumt. Das hat mir dann eingebracht, dass sie mich in Zukunft nur noch "Love" nannte, allerdings war sie am Ende meines Aufenthalts sowieso kaum mehr da.
Tania war leider der Mensch mit dem ich weniger gut auskam. Das liegt vermutlich unter anderem daran, dass sie einfach nicht besonders klug ist (ich weiss, das hoert sich boese an) und Manieren hat, mit denen ich wirklich nicht umgehen kann. Abgesehen davon, dass sie staendig ekelhafte Geraeusche von sich gibt, die ich hier nicht naeher beschreiben will, kaut sie pausenlos auf ihren dreckigen Finger herum und fasst damit dann das Essen an, das ich essen muss. Wenn ich in einer der wenigen Pausen die wir hatten etwas lesen wollte, waren das genau die Momente, in denen sie mich mit sinnlosem Bloedsinn vollgequatscht hat. Meine beiden Hoehepunkte waren allerdings, als sie sich ihren Fuss angeschlagen hat, ihren Socken auszog und mir ihren dreckigen Fuss ueber den gesammten Esstisch entgegenstreckte, damit ihr mir das anschauen kann. Wollte ich eigentlich gar nicht. Auch nicht wirklilch interessiert hat mich ausserdem, wie lange sie nachts von Verdauungsstoerungen heimgesucht wurde. Erst recht nicht beim Fruehstueck. Anfangs hatte ich das Gefuehl mit ihr ueberhaupt kein sinnvolles Gespraech fuehren zu koennen. Als sie aber etwas Vertrauen in mich gefasst hatte, erzaehlte sie mir ein bisschen was und mittlerweile tut sie mir einfach nur leid. Sie macht jeden Tag genau die selbe Arbeit auf der Farm und hat wirklich nie Pause. Sie bekommt dafuer kein Geld, findet keinen anderen Job und kann sich deshalb selbst nichts goennen. Sie findet keine Freunde und kommt nie raus. Sie hat Traeume, von denen sie weiss, dass sie sie sich nie erfuellen kann. Sie hat einen Freund der 2 h von ihr entfernt wohnt, sie kaum besucht und nie anruft (ich habe versucht ihr klar zumachen, dass sie ihn vielleicht nicht immer anrufen soll - vergeblich...). Wenn ihre Mutter abends zuhause ist, sind beide so muede, dass sie sich kaum unterhalten, weshalb sie dann einschlaeft, was sie eigentlich gar nicht will. Wie sie die Arbeit mit den Pferden ohne Hilfe meistert, ist mir raetselhaft. Nach ein bis zwei Wochen hatte ich die Ablaufe besser im Kopf und musste sie oefter an Dinge erinnern, die sie vergessen hatte. Auch habe ich das Gefuehl, dass ihr die Arbeit keinen Spass macht bzw. ueber den Kopf waechst, was sie leider an den Pferden auslaesst, die jeden Tag als "Schlampe" oder Schlimmeres beschimpft wurden, wenn sie irgendwelche voellig normalen Kleinigkeiten gemacht haben, die Tania gerade nicht in den Kram passten. Wenn ein Pferd sich nicht einfangen lassen wollte, rannte sie ihm meist fluchend hinter her. Irgendwie gar nicht so verwunderlich, dass ich mir den ganz "schwierigen" Pferden irgendwie zurecht kam, weil ich sie einfach normal behandelt habe. Sheila erzaehlte mir zwar jedes Mal, wenn sie mal auf der Farm geholfen hat, wie sehr sie ihre Pferde liebt, was sicher auch stimmt. Allerdings haben mich bei der Behandlung der Pferde grundlegende Dinge gestoert, die wohl vor allem auch durch das mangelnde Geld der beiden bestimmt waren. Wenn eine traechtige Stute eine halbe Woche stocklahm ueber die Koppel humpeln muss bis mal der Hufschmied gerufen wird, dann kann ich mir das echt nicht mit anschauen. Ich habe auf Nachfrage erfahren, dass der Schmied ungefaehr alle drei Monate kommt, allerdings abwechselnd immer nur zu ein paar Pferden, weil er so teuer ist.
Auch wie die 7 Hunde behandelt wurden, fand ich ziemlich schlimm. Zwei durften dauerhaft frei herumlaufen, die anderen waren mehr oder weniger fast den ganzen Tag in Zwingern. Wenn sie mal rausdurften wurden sie kaum gestreichelt und meist nur angeschrien und mit Fusstritten weggejagt, wenn sie zu nahe kamen. Ich habe mich wirklich gefragt, wozu die beiden ueberhaupt Hunde haben.
Mein Hauptproblem bis zum Ende war aber wahrscheinlich das Essen. Es war einfach nicht gut und fuer die Arbeit, die ich geleistet habe, viel zu wenig. Ich wusste natuerlich, dass sie nicht viel Geld haben, aber oefter haben die beiden Damen bzw. vor allem Tania, wenn sie mit mir alleine war, mir einfach weniger gegeben, als sie selbst gegessen haben. Vielleicht dachten sie sich: Die ist schlank, die braucht nicht viel essen? Ich hatte eigentlich dauerhaft Hunger, aber nicht die Moeglichkeit einzukaufen. Es war erstaunlich, welche Wirkung ploetzlich Werbung auf mich hatte, wenn wir abends vor dem Fernseher sassen...

Trotz all dieser unangenehmen Dinge, an die ich mich im Laufe der Zeit etwas gewoehnt habe, bin ich doch dankbar fuer meinen Farmstay. Ich habe einmal selbst empfunden, wie es ist wenig Geld zu haben. Ich habe mich drei Wochen lang mit Menschen arangiert, mit denen ich normalerweise nichts zu tun haette. Ich habe drei gute Buecher gelesen und ich habe vor allem den Wert von Dingen erkannt, die bisher vielleicht selbstverstaendlich waren: Ein gutes Gespraech mit Freunden, ein Cappuccino mit Chrisi, ein gutes Abendessen mit einem Glas Wein, Strohernte mit Menschen die man gerne hat und das Essen danach...

Jetzt bin ich gerade in Whakatane und wirklich froh, meine Reise durch Neuseeland beginnen zu koennen. Bilder von der Farm folgen bald, da das Internetcafe jetzt leider zu macht :-)

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